Von der Weihnachtsgans zum Biodiesel

Zu Weihnachten kommt in vielen Haushalten eine saftige Gans auf den Tisch. Doch während das alte Fett der Weihnachtsgans häufig zu Hause im Müll landet, stellt eine Firma im westfälischen Oeding daraus Biodiesel her

Text und Bilder: Anne-Sophie Barreau, Illustration: Tim Möller-Kaya
erschienen am 27.11.2020 in der ADAC Motorwelt Nordrhein-Westfalen

Stefan Patzek schwärmt für Weihnachtsgänse. Zu den Feiertagen gehören sie für ihn genauso dazu wie zu seinem alljährlichen Geschäft. Denn der „Oel-König“ aus Hamm nimmt den Küchenchefs der Region ihr altes Brat- und Frittierfett ab, am liebsten literweise. Für die Entsorgung ihrer stinkenden Küchenreste müssen die Imbissbuden, Schnellrestaurants, Kantinen und Mensen nichts bezahlen, im Gegenteil: Sie bekommen sogar Geld dafür. In der Regel ein paar Cent pro Liter. „Gebrauchtes Speisefett ist wertvoll, denn es lässt sich perfekt Diesel daraus herstellen“, sagt Patzek. „Der Markt ist hart umkämpft.“ Rund 6000 Kunden hat Patzek in Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland. Im Jahr sammelt er knapp 4000 Tonnen altes Fett und beliefert Firmen, die dieses weiter reinigen und aufbereiten.

Gute 100 Kilometer entfernt, im westlichen Münsterland: Im kleinen Ort Oeding produziert die internationale Firma Renewable Energy Group (REG) mit Hauptsitz im US-amerikanischen Iowa aus den Essensresten Biodiesel – knapp 70.000 Tonnen im Jahr, also rund 80 Millionen Liter. „Altes Brat- und Frittierfett hat ein ähnliches Fettsäuremuster wie frisches Öl und ist deshalb ideal als Basis für Biodiesel geeignet“, erklärt Dieter Hengstermann, Leiter der Anlage in Oeding.

Biodiesel aus Abfällen kombiniert Ökonomie und Ökologie 

Die Firma ist nach eigenen Angaben die einzige in Nordrhein-Westfalen, die den Öko-Kraftstoff ausschließlich aus altem Speisefett herstellt. Seit den 90er-Jahren wird in der Oedinger Anlage und dem dazugehörigen Labor an der Produktion und Weiterentwicklung des speziellen Sprits getüftelt. Das Unternehmen gehört zu den Großen in der Branche: Zu den Kunden zählen BP/ Aral, Esso, Shell und große Mineralölhändler weltweit. Die Produktionskapazität liegt bei rund 85.000 Tonnen im Jahr. 

Biokraftstoff wird in Deutschland hauptsächlich aus Raps oder Altspeisefetten gewonnen, zum Teil auch aus Palmöl oder Soja. Alle Anbieter von konventionellem Diesel sind hierzulande verpflichtet, Treibhausgase einzusparen, und mischen konventionellem Diesel einen Anteil von etwa sieben Prozent des Öko-Kraftstoffs bei. An der Tankstelle ist der Sprit daher als „B7“ gekennzeichnet. 

Vom Topf in den Tank Durch Biodiesel aus altem Frittier- und Bratfett lässt sich CO2 sparen. Foto: Anne-Sophie Barreau 
Die Qualität des Öko-Kraftstoffs entspricht strengen gesetzlichen Richtlinien. Im Labor wird sie regelmäßig kontrolliert. Foto: Anne-Sophie Barreau 

Nachhaltig und klimaschonend 

„Biodiesel aus Abfällen kombiniert Ökonomie und Ökologie: Er gibt Gastronomen einen Anreiz, ökologisch zu handeln, indem sie ihr gebrauchtes Brat- und Frittierfett verkaufen. Wir recyceln das alte Speisefett dann zu hochwertigem Diesel“, sagt Michael Fiedler-Panajotopoulos, Vorsitzender des Mittelstandsverbands abfallbasierter Kraftstoffe e. V. und Sprecher der REG. Gleichzeitig hat Biodiesel aus altem Frittenfett einen Vorteil gegenüber Ölpflanzen als Rohstoff, wie der REG-Sprecher betont. „Während Biodiesel aus Ölpflanzen den Ausstoß von CO2 gegenüber konventionellem Diesel um etwa 50 bis 60 Prozent reduziert, sind es beim Biodiesel aus alten Fetten und Ölen bis zu 90 Prozent! Das macht unseren Diesel klimaschonend und nachhaltig und leistet einen wichtigen Beitrag für die Umwelt.“ 

Ein Teil des Puzzles 

Wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, ist der Biodiesel aus altem Frittierfett für Fiedler-Panajotopoulos keine Wunderlösung, aber durchaus ein Teil des Puzzles. „Hier können wir im Vergleich zu anderen Treibstoffen am meisten CO2 einsparen. Deshalb sollten wir uns nicht künstlich eingrenzen und nur sieben Prozent des Öko-Sprits beimischen. Ein Anteil von zehn Prozent wäre machbar und durchaus sinnvoll. In Frankreich und den USA ist B10, in Indonesien sogar schon B30 auf dem Markt“, fordert er. Außerdem könnte altes Frittenfett auch aus Privathaushalten gesammelt und für die Produktion von Biodiesel eingesetzt werden. „Ein Pilotprojekt in Bayern hat dazu ein Konzept erprobt und war sehr erfolgreich.“ So könnte künftig vielleicht auch die Weihnachtsgans von zu Hause – oder vielmehr ihr wertvolles Fett – für klimaschonende PS sorgen. 

Die Autorin:
Anne-Sophie Barreau
Presse/Öffentlichkeitsarbeit bei ALLGEMEINER DEUTSCHER AUTOMOBIL-CLUB (ADAC) Westfalen e.V.