Im Blindflug

Am 14. Juli 2021 hat die Europäische Kommission ihr Fit for 55-Paket vorgestellt. Teil des Paketes ist ein Verordnungsvorschlag der DG MOVE, der Generaldirektion für Mobilität und Verkehr. Ziel des Vorschlages ist es, die Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs nachhaltig zu mindern.

Ohne Zweifel, auch der Luftverkehr muss einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Viele Handlungsoptionen hat der Luftverkehr allerdings nicht. Zudem agiert die Branche in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Aber Bestrebungen, den Luftverkehr klimafreundlicher zu machen, dürfen nicht in blindem Aktionismus enden.

Bei dem Vorschlag der DG MOVE und dem zugehörigen Impact Assessment entsteht aber genau dieser Eindruck. Die Prämisse des Vorschlages lautet scheinbar: Lieber das Falsche tun als gar nichts.

Die DG MOVE setzt ab 2025 auf ein graduell ansteigendes Verwendungsmandat für erneuerbare Flugturbinenkraftstoffe. Das Problem ist, es gibt aktuell kaum Erfüllungsoptionen und nur eine in nennenswerten Mengen: Flugturbinenkraftstoff aus Abfallölen, meist aus gebrauchten Speiseölen, hergestellt nach dem „HEFA“-Verfahren (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids). Eine Option, die vermutlich über viele Jahre die erste Wahl für Fluggesellschaften bleiben wird.

Auf den ersten Blick erscheint diese Option sinnvoll. Kraftstoffe aus Abfällen und Reststoffen finden eine breite öffentliche Unterstützung. Aber Abfälle und Reststoffe sind nur begrenzt verfügbar. Und sie werden meist schon anderweitig genutzt, so auch gebrauchte Speiseöle. Diese werden heute zu abfallbasiertem Biodiesel verarbeitet. Einem Kraftstoff, der die Treibhausgasemissionen um über 90 % mindert. Fossilem Diesel beigemischt hilft abfallbasierter Biodiesel, einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz im Straßenverkehr zu leisten. Bereits im Jahr 2018 wurden 3,6 Mio. t CO2-eq durch den Einsatz von abfallbasiertem Biodiesel im deutschen Straßenverkehr eingespart. Für den Luftverkehr ist Biodiesel nicht geeignet. Seine Kaltfließeigenschaften reichen dort nicht aus.

Blindlings und ohne im Impact Assessment zu definieren, wie groß die in der EU verfügbare Menge an gebrauchten Speiseölen eingeschätzt wird, schafft die DG MOVE nun eine zusätzliche Nachfrage. Vielmehr noch, sie stellt die Weichen für eine Umleitung gebrauchter Speiseöle von der Biodiesel- in die Flugturbinenkraftstoff-Produktion. Mit fatalen Folgen für den Klimaschutz.

Deutlich energieintensiver ist es, aus gebrauchten Speiseölen Flugturbinenkraftstoff herzustellen als Biodiesel. Gleichzeitig ist die Kraftstoffausbeute geringer. In Summe mindert Flugturbinenkraftstoff aus gebrauchten Speiseölen die Treibhausgasemissionen lediglich um rund 75 %. Eine Umleitung gebrauchter Speiseöle aus der Biodieselproduktion in den Luftverkehr würde folglich die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors insgesamt steigern.

Genau das würde der DG MOVE-Vorschlag bewirken. Der Grund: Es gibt in der EU nicht ausreichend gebrauchte Speiseöle zur Aufrechterhaltung der heutigen Biodieselproduktion daraus und zusätzlich zur Produktion der Menge erneuerbarer Flugturbinenkraftstoffe, welche das geplante Mandat ziehen würde. „Rohstoffkannibalisierung“ par excellence wäre die Folge. Und es wäre ein Kampf mit ungleichen Waffen. Das von der DG MOVE vorgesehene Verwendungsmandat würde einer Handvoll Produzenten von HEFA-Flugturbinenkraftstoffen einen unfairen Wettbewerbsvorteil einräumen gegenüber den rund 50 mittelständischen EU-Produzenten von abfallbasiertem Biodiesel.

EU-Klimapolitik bedarf deshalb einer holistischen Betrachtung. Sie muss Innovationsmotor sein. Sie muss neue, fortschrittliche Erfüllungsoptionen fördern, wie E-Kerosin oder Alkohol-to-Jetfuels. Und sie muss neue, bisher ungenutzte Abfälle und Reststoffe deren Verwendung zuführen. Ziel muss es sein, nicht nur den Luftverkehr klimafreundlicher zu machen, sondern den Verkehrssektor insgesamt. Hier versagt der Vorschlag der DG MOVE.

Autor: Detlef Evers, Geschäftsführer des MVaK

Die Verwendung von gebrauchtem Speiseöl zur Produktion von Flugkraftstoff ist ein klimapolitischer Irrweg

Gemeinsam mit unserem europäischen Schwesterverband EWABA haben wir die Studie „Conversion efficiencies of fuel pathways for Used Cooking Oil“ in Auftrag gegeben. Diese hat untersucht, wo gebrauchte Speiseöle (UCO = Used Cooking Oil) am effizientesten für den Klimaschutz im Verkehr eingesetzt werden: zur Biodiesel-Produktion, zur HVO-Produktion, zur HEFA-Produktion oder im Co-Processing.

Hintergrund für die Beauftragung der Studie ist unsere Sorge, dass die Europäische Kommission in ihrem anstehenden ReFuelEU-Aviation-Vorschlag eine undifferenzierte Verwendungspflicht für erneuerbare Flugkraftstoffe vorsieht. In der Folge könnte unseren mittelständischen Mitgliedern die Rohstoffbasis entzogen werden. Bisher für die Biodiesel-Produktion genutztes UCO könnte in die Produktion von HEFA (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids)-Flugkraftstoffen umgeleitet werden.

Eine undifferenzierte Verwendungspflicht von zum Beispiel 2 % in 2025 würde in der EU etwa 1,1 Mio. t erneuerbare Flugkraftstoffe erfordern. Als UCO-HEFA würde dies unserer Branche, die heute etwa 2,5 Mio. UCO einsetzt, einen Großteil ihrer Rohstoffbasis entziehen. Gleichzeitig würde diese Menge dem Straßenverkehr und der Schifffahrt als UCO-Biodiesel (UCOME = Used Cooking Oil Methyl Ester) entzogen.

Die Studie zeigt: UCOME hat die höchste Treibhausgas-Emissionsminderung (90 %) und die niedrigsten Produktionskosten. UCO-HEFA dagegen die niedrigste Treibhausgas-Emissionsminderung (76 %) und die höchsten Produktionskosten.

Damit zeigt die vorliegende Studie auch mögliche Konsequenzen einer undifferenzierten EU-Klimapolitik auf: Die Umleitung von UCO aus der Biodiesel-Produktion in eine HEFA-Produktion würde die Bemühungen der EU zur Treibhausgasminderung des gesamten Verkehrssektors konterkarieren. Sie würde bei Einführung einer undifferenzierten Flugkraftstoff-Verwendungspflicht von 2 % in 2025 zu 1 Million Tonnen mehr Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor führen!

Deshalb ist auch die Entscheidung der Bundesregierung, ab 2026 eine Verwendungspflicht von ausschließlich erneuerbaren Energien nicht-biogenen Ursprungs in der Luftfahrt einzuführen, der klimapolitisch richtige Schritt!

Die Studie finden Sie hier: